Entwicklung Fliegerhorstgelände

Entwicklung des ehemaligen Fliegerhorstgeländes Detmold-Hohenloh

„Lippe-Detmold eine wunderschöne Stadt, darinnen ein Soldat…“ Diesen Text eines Liedes können viele Großeltern noch heute wiedergeben. Den Anspruch einer wunderschönen hat die Stadt Detmold auch heute, allerdings ohne einen einzigen diensttuenden Soldaten auf dem Stadtgebiet. Detmold mit rund 80.000 Einwohnern war stark vom Truppenabzug betroffen: etwa 2800 britische Soldaten haben mit ihren Familien die Kreisstadt verlassen. Drei innenstadtnahe Kasernenkomplexe mit einer Gesamtgröße von rund 125 Hektar wurden zwischen 1992 und 1995 zurückgelassen; außerdem wurde die Nutzung des Bundeswehrkrankenhauses und der Bundeswehrapotheke aufgegeben. Von den 109 Hektar des ehemaligen Fliegerhorstes (Hobart-Barracks) ist der nördliche Teil mit 55 Hektar bebaut. Die Gebäude wurden zwischen 1935 und 1938 planmäßig errichtet: streng parallel zur Haupterschließungsachse Richthofenstraße. Die Richthofenstraße ist im Abschnitt der ehemaligen Kaserne in ihrer schnurgeraden Führung wiederum sichtbar ausgerichtet auf das Hermannsdenkmal, das über dem Höhenrücken des Teutoburger Waldes thront und als Nationaldenkmal an die Varusschlacht erinnernd vor genau 125 Jahren errichtet wurde. Die wenigen nicht in die Symmetrie passenden Gebäude wurden für die britischen Streitkräfte bis 1995 ergänzt. Die Liegenschaft ist größer als die Detmolder Innenstadt und nur 1,5 km vom Marktplatz, dem Mittelpunkt des historischen Stadtkerns, entfernt. Eine gute innerstädtische Verkehrsanbindung ergibt sich aus der Lage direkt an der einzigen Umgehungsstraße Detmolds, dem Nordring.

Quelle: Detmold – Hohenloh, Denkmalgeschützte Gebäude und Freiflächen, Jatsch , Laux, Mayer in Zusammenarbeit mit Elisabeth Steichele, München/Detmold 2000

Zur Grundlagenermittlung für eine planungsrechtlich gesicherte und auch wirtschaftliche Umsetzung der Konversion beauftragte die Stadt Detmold die Erstellung einer Machtbarkeitsstudie. Noch vor der Räumung des ehemaligen Fliegerhorstes durch die Briten konnte im Juni 1995 die vom Land Nordrhein-Westfalen geförderte Machbarkeitsstudie „Konversion der Hobart-Barracks (Fliegerhorst) in Detmold“ präsentiert werden. Als wichtigster Teil dieses Gutachtens erwies sich der Rahmenplan, der aus den vorhandenen Nutzungs- und Gebietsstrukturen entwickelt wurde und ideale Voraussetzungen für die Realisierung des Leitbildes einer Stadt der kurzen Wege sieht. Der Bereich der ehemaligen Unterkunftsgebäude westlich der Richthofenstraße soll danach auch zukünftig überwiegend als Wohngebiet genutzt werden. Nördlich schließt sich in einem Wald das Naturrasenstadion mit Kunststoffbahnen, die Sporthalle, das ehemalige Kino und andere Freizeiteinrichtungen an. Die Bebauung entlang der Richthofenstraße soll sich zur Dienstleistungsachse entwickeln. In den ehemaligen Flugzeughangars und Werkstattgebäuden werden auf etwa 45.000 qm Nutzfläche durch Gewerbe, durch großflächigen Einzelhandel und durch Sondernutzungen Arbeitsplätze geschaffen. Stadtbildverträgliche Nachverdichtungsmöglichkeiten werden im Städtebaulichen Rahmenplan westlich der Richthofenstraße aufgezeigt. Relativ wenige Abrisse von Großgebäuden werden im Rahmenplan dargestellt.

Der Rat der Stadt Detmold hat 1995 beschlossen, zur Vorbereitung einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme gem. § 165 Abs. 4 BauGB Voruntersuchungen für den Bereich des Fliegerhorstes durchzuführen. Zusätzlich hat der Rat der Stadt Detmold 1995 eine Satzung über ein besonderes Vorkaufsrecht für das Gelände des ehemaligen Fliegerhorstes nach § 25 BauGB beschlossen. Waren diese Instrumente im Rahmen der kommunalen Planungshoheit mehr eine Drohgebärde gegenüber dem Eigentümer Bundesrepublik Deutschland, so bleibt die klassische Bauleitplanung letztlich für die Stadt das praktikabelste Steuerungsmittel in der städtebaulichen Entwicklung der Konversion Hohenloh. Mehrere Änderungen des Flächennutzungsplanes sind zwischenzeitlich durch die Bezirksregierung genehmigt. Auch sind für das Gebiet des ehemaligen Fliegerhorstes insgesamt fünf Aufstellungsbeschlüsse für Bebauungspläne gefasst. Baugenehmigungen für Umnutzungen im Bestand werden großzügig nach § 34 BAUGB erteilt. Der fortgeschriebene Verkehrsentwicklungsplan wies die Notwendigkeit einer zusätzlichen Anbindung an den Nordring für die gewerbliche Nutzung nach. Es wurde der Charles-Lindbergh-Ring mit großzügiger Knotenpunktausbildung neu gebaut.

Der wesentlichste Kostenfaktor bei der inneren Erschließung liegt allerdings im Erfordernis einer kompletten Neuordnung des Entwässerungssystems. Da die vorhandenen Mischwasserkanäle nicht in Straßen und Wegen verlegt waren, sondern kreuz und quer in Grünflächen und unter Gebäuden, ergab sich eine 2,5fache Kanallänge gegenüber anderen Stadtgebieten gleicher Größe. Die Stadt war wegen des damit verbundenen erhöhten Unterhaltungsaufwandes zur Übernahme nicht bereit. Undichtigkeiten im vorhandenen Kanalnetz führten außerdem zu enormen Grundwasserzuflüssen mit unnötiger Belastung der Kläranlage. Die Entwässerung wird nunmehr mit vier Regenrückhaltebecken im Trennsystem in Straßenneubauten komplett neu hergestellt.

Nach dem Willen des Westfälischen Amtes für Denkmalpflege (WAfD) sollte die Kasernenanlage wegen des weitestgehenden Originalzustandes als städtebaulich erhaltenswertes Ensemble in einer Größe von 55 Hektar unter Schutz gestellt werden. Dies schien der Stadt Detmold aus sachlichen Erwägungen nicht gerechtfertigt. Unter der Leitung des zuständigen Landesministeriums wurde ein Arbeitskreis gebildet, der eine einvernehmliche Lösung bezüglich der Unterschutzstellung finden sollte. Dem Arbeitskreis gehörte neben dem Ministerium für Stadtentwicklung, Kultur und Sport die Bezirksregierung Detmold (als zuständige Untere Denkmalbehörde bei Gebäuden im Bundeseigentum) an, das Bundesvermögensamt als Vertreter des Eigentümers, das Westfälische Amt für Denkmalpflege als Fachbehörde, der beauftragte Planer und die Stadt Detmold. Letztlich einigten sich die Beteiligten auf die Unterschutzstellung der wichtigsten Gebäude, was eine Halbierung des Flächenumfanges bedeutete. Das Sportstadion und überwiegende Teile des Hallenkomplexes wurden von der Unterschutzstellung ausgenommen. Im städtischen Stadtentwicklungsausschuss wurde eine Behandlung des Themas abgelehnt, weil die Denkmalwertbegründung eine Verherrlichung des Nazi-Regimes enthalten sollte. Nach der geringfügigen Abänderung der Denkmalwertbegründung stimmte die Politik der Unterschutzstellung dann auch zu.

Von Anbeginn an wurde die Konstellation mit drei Partnern zur Entwicklung Hohenlohs als ideal angesehen: Der Bund als Eigentümer, die Stadt als Träger der Planungshoheit und ein finanzstarker Investor. Zur gemeinsamen Entwicklung eines tragfähigen Konzeptes zur wirtschaftlichen Umnutzung der ehemaligen Kaserne wurde die Projektentwicklungsgesellschaft Detmold Hohenloh PDH gegründet, an der die städtische Holding EVD, die Sparkasse Detmold, die Harpen AG und die Deutsche Anlagen Leasing (DAL) beteiligt waren. Die PDH hab ein weiteres Gutachten in Auftrag, das die Machbarkeitsstudie zu einem Masterplan weiterentwickeln sollte, in dem eine wirtschaftliche Kalkulation zur Darlegung der Gesamtwirtschaftlichkeit des Konversionsvorhabens abzuleiten wäre. Durch umfangreiche Gebäudeabbrüche in allen Bereichen sollte das Vermarktungsrisiko minimiert werden. Auch für die wertvollen Hallen wurde keine Nachfrage gesehen. Die stadtwirtschaftliche Kalkulation kam zu dem Ergebnis, dass die PDH eine Verantwortung für die Entwicklung des gesamten ehemaligen Fliegerhorstgeländes nur übernehmen könne, wenn der Bund die Grundstücke mit den aufstehenden Gebäuden nicht nur kostenlos abgäbe, sondern für die notwendige Erschließung und Infrastruktur noch 40 Millionen DM drauflege. Diese ernsthaft vorgetragenen Bedingungen wurden vom Vertreter der Oberfinanzdirektion als Frechheit lautstark abgewiesen. Das weitere Gutachten als Masterplan mit stadtwirtschaftlicher Kalkulation war überflüssig. Es ging von falschen Einschätzungen aus. Wenn sich die Gewinnerwartung von Unternehmen mit dem Absicherungsstreben einer Kommunalverwaltung paart, sind solche Ergebnisse offensichtlich nicht ausgeschlossen. Die PDH existiert nicht mehr.

Nach der Abwehr unseriöser Angebote wurden mit dem absehbaren Scheitern der PDH Kontakte zu einem privaten Investor hergestellt, der sich in Ostwestfalen-Lippe einen Namen mit Umnutzungen im Gebäudebestand gemacht hatte. Vom Frühjahr 1997 bis Ende 1998 wurde zwischen der Stadt Detmold, der Oberfinanzdirektion Münster und dem privaten Investor intensiv über den Abschluss eines städtebaulichen Vertrages verhandelt. Der städtebauliche Vertrag hatte den Gesamterwerb der Konversionsfläche durch den privaten Investor zum Ziel. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung und weil die Verpflichtungen des Investors aus dem städtebaulichen Vertrag sich unmittelbar für den Bund auf die Höhe der Verkaufserlöse auswirkten, musste der Vertrag auch vom Bundesfinanzministerium geprüft und im Haushaltsausschuss des Bundestages beraten werden. Ein parallel abzuschließender Erschließungsvertrag wurde auch ausgehandelt. Die hohe fachliche Kompetenz und die persönliche Integrität verschaffte dem privaten Investor auch Anerkennung in der Bürgerschaft und in der Politik. Alle Punkte wurden praxisnah und fast partnerschaftlich fair ausgehandelt. Die Verträge waren im Detail bereits von einem Notar ausgearbeitet. Die abschließende Unterzeichnung der Verträge scheiterte letztlich am Verhalten der Banken; dabei war die Unvereinbarkeit von Rücktrittsklauseln mit einer Beleihung der Grundstücke ein nicht gelöstes Problem. Das Scheitern dieser erfolgsversprechenden Verhandlungen, deren Abschluss schon mehrfach in der Presse angekündigt war, setzte vor allem den Eigentümer unter Druck.

Die Oberfinanzdirektion (OFD) entschied sich schließlich Anfang 1999, selbst in die Direktvermarktung von Einzelgrundstücken zu gehen. In dieser ungeliebten und ungeübten Rolle wurde die enge Partnerschaft mit der Stadt zur Entwicklung und Erschließung gesucht. Grundlage blieb der mit dem privaten Investor ausgehandelte Städtebauliche Vertrag. Am 5. August 1999 wurde der Städtebauliche Vertrag im Beisein vom Parlamentarischen Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen im Rahmen eines Festaktes unterzeichnet. Damit begann offiziell die Erfolgsgeschichte eines ungewöhnlichen Auftritts: Public – Public – Partnership; was heißt: die Stadt plant und baut, der Bund bezahlt. Die Finanzierung der inneren Erschließung und Teile der äußeren Erschließung übernimmt nach dem Vertrag der Bund, ebenso übernimmt der Bund die Kosten für soziale Infrastruktureinrichtungen und die Bauleitplanung. Der städtebauliche Vertrag hat ein Gesamtvolumen von rund 31 Millionen DM. Die Stadt beschafft das Baurecht auf den Grundstücken durch den Einsatz aller ihr zur Verfügung stehender Möglichkeiten und ist verantwortlich für die Planung und Abwicklung der Erschließungsmaßnahmen.

Bereits am 28. März 2000 erfolgte die Verkehrsfreigabe für das Rückgrat der Erschließung einschließlich der neuen Kanalisation. Aber der Bund hat zwischenzeitlich auch (zumeist durch Vermittlung der Stadt) gut verkauft: zwei Gebäude sind umgebaut worden zur Schule für Erziehungshilfe und zur 13. Städtischen Grundschule. Neben einer Schule für hochbegabte haben zwei weitere Schulen ihr Interesse an dem Standort Hohenloh angemeldet. Das größte Freilichtmuseum der Bundesrepublik Deutschland, das Westfälische Freilichtmuseum Detmold, hat sein Zentralmagazin (Depot) mit Imprägnierungskammer auf Hohenloh in zwei umgebauten Hallen eingerichtet. Im denkmalgeschützten Hangar 21 ist nach Umbau durch das Büro von Gerkan, Marg und Partner das Art Kite Museum eingezogen. Im Kunstdrachenmuseum sind „Bilder für den Himmel“ im Wert von 26 Millionen Dollar zu sehen: Kunstwerke zeitgenössischer Künstler, gemalt auf flugfähigen Drachen. Drei Großbetriebe der chemischen Industrie glauben, dass Hohenloh eine erste Adresse ist. Es wird hier zum Teil schon produziert. Das Gemeindepsychatrische Zentrum (GPZ) kommt unter in drei ehemaligen Offizierswohnhäusern. Das Sportstadion hat die Stadt gekauft, es wird momentan renoviert. Die geringe Nachfrage nach Wohn- und Büronutzung spiegelt die aktuelle Marktsituation wieder, die in Detmold besonders durch ein Überangebot im Mehrgeschossbau gekennzeichnet ist. Überhaupt nicht voraussehbar war dagegen der schnelle Ausverkauf der Hallen für gewerbliche und Sondernutzungen.


Kulturfabrik Hangar 21, ehemals Art Kite Museum

Die Entwicklung des neuen Stadtteiles Hohenloh findet in der Detmolder Bevölkerung großes Interesse. Nach einem Antrag der Jusos im Haupt- und Finanzausschuss sollte durch eine einheitliche Namensgebung der Problemstadtteil Hakedahl vom Erfolg auf Hohenloh profitieren. Die Arbeit der weltbekannten Landschaftsarchitektin Martha Schwartz von der Harvard-Universität aus Boston sollte über einen zusätzlichen Imagegewinn des Stadtteils vermarktungsfördernd wirken. Die Montage von 8000 verchromten, im Durchmesser 35 cm großen Stahlkugeln beidseitig der Richthofenstraße und das „Rote Band“ als begehbare Querachsenbetonung war der Lokalpolitik dann doch zu spektakulär. Die rund 4,5 Millionen DM Investitionskosten für die Freiraumgestaltung lassen sich nach Meinung der Politiker in der Bürgerschaft nicht rechtfertigen – auch wenn der Bund die Kosten übernimmt. Damit haben nur wenige etwas von Martha Schwartz bei ihren vier Aufenthalten in Detmold gehabt. Vielleicht bleibt es aber bei einem Kunstwerk von Gabriele Staarmann aus Hamburg, damit nicht doch ein Baum mittig in den Verkehrsverteiler der Richthofenstraße gepflanzt werden muss.

Die Stadt und der Bund können auf das bisher geleistete fürwahr stolz sein – auch wenn beide Seiten bei der vorhandenen Größenordnung wohl noch einen langen Atem haben müssen, um vor allem die ehemaligen Unterkunfts- und Verwaltungsgebäude mit einer Nutzfläche von etwa 50.000 qm an den Markt zu bringen. Mit dem finanzkräftigen Finanzier Bundesrepublik Deutschland ergibt sich für die Stadt Detmold eine besonders vorteilhafte Konstellation. Bürgschaften von Privaten sind entbehrlich. Bürgschaften, die die Entwicklung des ehemaligen Fliegerhorstes zusätzlich verteuert hätten. Ohne Vorschaltung der Verhandlungen mit einem kompetenten privaten Investor wäre dieses Ergebnis des Städtebaulichen Vertrages allerdings kaum möglich gewesen. Und Personen bestimmen das Ergebnis. Der Entscheidungsträger der Oberfinanzdirektion geht so pragmatisch und mutig an die Dinge heran, wie es von einem Angehörigen des Öffentlichen Dienstes nicht erwartet wird. Aber auch deshalb werden Ergebnisse erzielt, die man öffentlichen Verwaltungen nicht zugetraut hätte.

„Die Bundesrepublik Deutschland entwickelt und baut gemeinsam mit der Stadt Detmold den neuen Stadtteil Hohenloh in zukunftsweisender Funktionsmischung.“ So steht es auf den Baustellenschildern an den drei Zufahrten unter einer großen Lippischen Rose.

Dr. Volkmar Reinke

Veröffentlicht in: „Wer plant die Stadt?  Wer baut die Stadt ?“ Bericht der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung zur Jahrestagung 2000 in München“ ISBN 3-927469-25-4